Erst vor wenigen Wochen hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Verfassungskonformität des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG bestätigt. § 6 Abs 2 Z 4 KSchG regelt, dass es unzulässig ist, einem Unternehmer das Recht einzuräumen, für eine innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsschluss zu erbringende Leistung ein höheres Entgelt zu verlangen, als ursprünglich vereinbart. Diese Regelung dient dem Schutz des Verbrauchers vor nachträglichen und unangemessenen Preisänderungen durch den Unternehmer § 6 KSchG. Diese Entscheidung erregte zwar medial viel Aufmerksamkeit, brachte inhaltlich jedoch keine wesentlichen Änderungen für Vermieter und Mieter.
Ganz anders die aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 30. Juli 2025 (10 Ob 15/25s):
Bisherige OGH-Judikatur
Frühere Urteile (u. a. 2 Ob 36/23t, 8 Ob 37/23h, 8 Ob 6/24a) hatten nahegelegt, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auch auf langfristige Mietverträge anwendbar sei. Das hätte bedeutet: Eine unzulässige Wertsicherungsklausel fällt vollständig weg, das Mietverhältnis bestünde ohne Wertsicherung fort, und Mieter könnten bereits gezahlte Erhöhungsbeträge zurückfordern.
Diese Rechtsprechung stützte sich oft auf Nebenbemerkungen, implizite Annahmen und Zurückweisungsbeschlüsse – eine fundierte inhaltliche Auseinandersetzung mit der Norm fehlte bislang.
Der Anlassfall 10 Ob 15/25s
Ausgangspunkt war ein auf zehn Jahre befristeter Mietvertrag über eine Dachgeschoßwohnung im Teilanwendungsbereich des MRG. Die Klausel zur Indexierung enthielt keinen Ausschluss der Wertsicherung in den ersten zwei Monaten („2-Monats-Sperre").
Kernaussagen der OGH-Entscheidung
1. § 6 Abs 2 Z 4 KSchG gilt nicht für langfristige Mietverträge
- Die Bestimmung schützt Verbraucher vor überraschenden Entgelterhöhungen bei Verträgen, die innerhalb von zwei Monaten vollständig erfüllt werden.
- Klassische Mietverträge – meist auf Jahre oder unbefristet abgeschlossen – fallen nicht darunter, da die Leistung des Vermieters über diesen Zeitraum hinausgeht.
- Die Unanwendbarkeit gilt nicht für kurzfristige Mietverhältnisse (z. B. Ferienwohnungen)
2. Keine Pflicht zur 2-Monats-Sperre
- Wertsicherungsklauseln sind auch ohne expliziten Ausschluss einer Anpassung in den ersten zwei Monaten wirksam.
- Damit entfällt die Grundlage für Rückforderungsansprüche wegen vergangener Indexierungen.
3. Wertsicherung ist keine einseitige Entgelterhöhung
- Bei klar formulierten Klauseln zahlt der Mieter real nicht mehr oder weniger als vereinbart – der Betrag wird nur wertgesichert angepasst.
- Eine solche Regelung erfüllt nicht den Tatbestand des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, auch nicht in verbaucherfeindlichsten Auslegung.
4. Teilbarkeit von Klauseln
- Unwirksamkeit einzelner Klauselteile (z. B. Ersatzindex) lässt den übrigen, wirksamen Teil bestehen.
- Dies verhindert, dass bei kleineren Unwirksamkeiten die gesamte Wertsicherung entfällt.
5. Ausgangsmonat der Wertsicherung
- Die Anknüpfung an die zuletzt vor Vertragsabschluss verlautbarte Indexzahl ist branchenüblich, sachlich gerechtfertigt und rechtlich unbedenklich.
- Selbst ein falscher Ausgangsmonat kann durch gelebte Vertragspraxis und konkludente Zustimmung der Parteien korrigiert werden.
Abgrenzung zum VfGH-Erkenntnis
Der OGH betont, dass seine Entscheidung nicht im Widerspruch zum jüngsten VfGH-Erkenntnis steht. Dieses hatte sich nicht ausdrücklich zur Frage der Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf langfristige Dauerschuldverhältnisse geäußert.
Praktische Bedeutung
Die Entscheidung beendet (zumindest vorerst) eine Phase erheblicher Rechtsunsicherheit:
- Vermieter können Wertsicherungsklauseln bei langfristigen Mietverträgen weiterhin ohne 2-Monats-Sperre vereinbaren.
- Mieter haben bei wirksam vereinbarter Indexierung keinen Rückforderungsanspruch allein wegen des Fehlens dieser Sperre.
- Investoren und Vertragsersteller erhalten eine verlässliche Grundlage für künftige Vertragsgestaltung.
Fazit:
Auf Dauerschuldverhältnisse, bei denen die Leistung des Vermieters nicht innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsabschluss vollständig zu erbringen ist, ist § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht anwendbar.
Damit stärkt der OGH die Rechtssicherheit und ermöglicht eine Rückkehr zu einer stabilen und praxistauglichen Vertragsgestaltung im Mietrecht.
Bei Fragen zur Mietzinsindexierung und für die Erstellung von individuell angepassten Mietverträgen, steht Ihnen die Kanzlei König Ermacora Klotz & Partner sehr gerne zur Verfügung.